Sind Hotels die neuen Museen? Der Trend geht zum hybriden Erleben von Übernachten, Speisen und exklusiver Kunst. Allein die Rezeption des Zürcher Hotel Restaurant Bar Helvetia alias «Helvti» ist eine wahre Wunderkammer. Auch sonst tummeln sich zeitgenössische Werke von grossen Namen wie Imi Knoebel im Traditionshaus. Jetzt haben die Gründer der «Helvti», Leopold Weinberg und Adrian Hagenbach, über 80 Originale des neuesten Kunst- und Buchprojekts «Music – A Conversation Through Song Titles» des Basler Künstlerduos Admir Jahic und Comenius Roethlisberger erworben. Das macht durchaus Sinn, denn wie in der Musik weckt auch Gastfreundlichkeit Emotionen.
«Yesterday» – ein Lied der Beatles, das alle kennen. Jeder verbindet damit etwas. Es löst etwas aus. Sollte man auf diesen Songtitel mit einem anderen antworten, was könnte da stehen? Der dänische Bildhauer Jeppe Hein schrieb: «Take my breath away» – ein Hit der kalifornischen Popband Berlin aus den Achtzigern. Ein poetischer Schlagabtausch entsteht. Eine kurze, aber prägnante Assoziationskette, die einen nostalgisch, sehnsüchtig, euphorisch oder melancholisch stimmt.
Trinken, Essen, Schlafen und Kunst bestaunen
Für das Kunst- und Buchprojekt «Music – A Conversation Through Song Titles» verschickten die Konzept-, Medien- und Installationskünstler Admir Jahic und Comenius Roethlisberger per Post Zettel an nationale und internationale Kolleg*innen mit Namen von Musikstücken darauf – und baten um Reaktionen in Form eines Titels. Diese schmücken nun bis Ende März 2023 die öffentlichen Bereiche des Hotel Restaurant Helvetia. Die Exponate in Restaurant, Bar, Rezeption und den Boardrooms (individuelle Sitzungszimmer mit wohnlichem Charme) reichern so die künstlerische Bandbreite des Zürcher Hauses weiter an. Eine Konzept-Ausrichtung, welche in sämtlichen Hotel- und Gastronomieprojekten von Adrian Hagenbach und Leopold Weinberg im Vordergrund steht.
Ebendiese Passion für Kunst verleiht der «Helvti» ein eindrückliches Alleinstellungsmerkmal. Leopold Weinberg sagt: «Spätestens seit der Neueröffnung der «Helvti» im Jahr 2007 tragen wir aktiv in der Szene mit verschiedenen Kunstformaten dazu bei, qualitativ hochstehende Kunst im Alltag zu verankern. So trifft man beim Aufenthalt in unseren Betrieben auf museale Kunst – so ganz ohne Berührungsangst – welche oft in Diskurs mit Positionen noch wenig etablierter Künstler tritt. Ob nun das Auge des Betrachters geschult ist oder nicht, eines ist klar: Der Aufenthalt wird zum Erlebnis. Im Rahmen unserer «Showcase-Serie» stellt die «Helvti» und ihr Schwesterbetrieb, das Volkshaus Basel, 2-3 Mal pro Jahr spannende, kuratierte Kunst Positionen vor. Vielleicht schwappt die Passion ja zu Ihnen über?»
Von Weltkunst und Eisbrechern
Die entstandenen, stets handgeschriebenen Dialoge formen eine Art Enzyklopädie der Künstlerhandschriften von jungen Wilden und Grössen wie Albert Oehlen, Judith Bernstein, Alicja Kwade, Erwin Wurm, Jonathan Monk oder Gregor Hildebrandt. Wem das nun bekannt vorkommt, darf sich Kunstexpert*in schimpfen: Vor der Musik, die Reminiszenzen und Sehnsüchte weckt, widmeten sich Admir Jahic und Comenius Roethlisberger der ebenso emotionalen Welt des Kochens. Im Projekt «Artist’s Recipes» verraten renommierte internationale Künstler*innen wie Marina Abramovic und Olafur Eliasson ihre Lieblingsrezepte in Form von Zeichnungen, Collagen und Fotografien.
Während diese noch bis vor kurzem die Tischsets im Restaurant Helvetia zierten, werden sie nun von Werken aus «Music – A Conversation Through Song Titles» ergänzt. Wenn einem das fantastische Essen nicht gerade die Sprache verschlägt, lohnt sich heiteres Rätselraten am Tisch: Die Künstler*innen-Schriften zu entziffern und ein gemeinsames Lied unter Originalen anzustimmen, dürfte sich ganz hervorragend als Eisbrecher eignen.