Idyllische Natur und schroffe Berge, folkloristische Kultur und moderne Kunst, pittoreske Häuser und barocke Paläste, Wellness und kulinarischer Genuss und das alles ganz in der Nähe? Klingt nach einem Überraschungsei, ist aber Realität. In etwas mehr als einer Autostunde ab Zürich erreicht man das Appenzellerland, das all diese Highlights kompakt auf kleinem Raum bietet. Es ist nicht erst seit der Pandemie der Geheimtipp für Wochenend-Ausflüge.
Idyllische Natur und schroffe Berge
Der Alpstein ist Bestandteil der Appenzeller Alpen und bei Wanderern aus der ganzen Welt bekannt und beliebt, nicht zuletzt wegen der drei idyllischen Seen Fälensee, Sämtisersee und Seealpsee. Das Berggasthaus Äscher-Wildkirchli, das sich auf kleiner Fläche an einen schroffen Felssturz schmiegt, erlangte dank dem Internet Weltberühmtheit. Nachdem das Bild des Äschers auf dem Cover des «National Geographic» Magazins mit dem Titel «Places of a Lifetime» abgedruckt wurde, entwickelte es sich zu einem der beliebtesten Fotomotive der Welt.
Der höchste Berg des Alpsteins ist der Säntis mit 2502 Metern und ist mit der Seilbahn erreichbar, wie viele der Gipfel. Die Wanderwege sind vielzählig und für jedes Können geeignet, die Natur besticht mit aussergewöhnlicher Schönheit.
Eigentlich haben wir eine Wanderung zum Seetalsee und dann steil hinauf zum Äscher geplant. Doch dann durchkreuzt eine aufziehende Kaltfront unsere Pläne und bringt Regen und Schnee mit sich. Deshalb fahren wir direkt ins Hotel Bären in Gonten und erfreuen uns an der grossartigen Gastfreundschaft des Hauses.
Folkloristische Kultur und moderne Kunst
Am nächsten Tag machen wir uns auf nach Appenzell, dem Hauptort von Appenzell Innerhoden. Als erstes besuchen wir die 136-jährige Kunsthandwerkstatt von Roger Dörig. Vor gut 25 Jahren hat er das Kunstgewerbe der Sennensattlerei von seinem Grossvater in vierter Generation übernommen und seither kaum etwas verändert. Die Werkstatt ist eng und vollgestopft mit Werkzeug, Material und wunderschönen selbstgefertigten Produkten. An diesem Ort stellt Döring in akribischer Handarbeit und mit viel Leidenschaft Gürtelschnallen, Gürtel, verzierte Trachten-Hosenträger, Treicheln in allen Grössen, Hundehalsbänder, Schmuck und Accessoires her. Dörig ist der Hüter der traditionellen Muster und Ornamente der Appenzeller Kultur, verwendet diese jedoch auf Anfrage auch für moderne Designs. Dank des Internets kommen die Bestellungen aus der ganzen Welt. Mit einer Wartezeit von bis zu mehreren Monaten ist allerdings zu rechnen.
Als nächstes widmen wir uns der modernen Kunst. Der Aktions- und Konzeptkünstler Roman Signer wurde hier geboren und ist mit zwei Kunstwerken im Ort vertreten: die Drehscheibe und der Tisch. Die Drehscheibe befindet sich unterhalb der Kirche und verkörpert das «Instrument zur Raumerfahrung». Sie führt demjenigen, der darauf stehen bleibt, in drei Minuten die Heimat vor Augen. Nebenan, am Ufer zur Sitter, steht der Tisch, ein Objekt mit überraschendem Wasser-Effekt: Unverhofft schiesst ein kräftiger Wasserstrahl aus zwei Tischbeinen und bringt dadurch den Tisch in Schieflage.
Zwei weitere bekannte Appenzeller Vertreter der modernen Kunst sind Vater und Sohn Liner. Die Kunstsammlung des Kunstmuseums Appenzell umfasst über 1’000 Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen der beiden Künstler. Hinzu kommen über 200 Arbeiten von Künstlern und Künstlerinnen der Klassischen Moderne und der Gegenwartskunst. Der futuristische Bau wurde von den Architekten Annette Gigon und Mike Guyer realisiert und erinnert mit seiner Chromstahlfassade und dem Zick-Zack-Dach ein wenig an eine Produktionsstätte.
Pittoreske Häuser und barocke Paläste
Unterdessen hat sich der Regen verzogen und wir flanieren durch den alten Dorfkern und bewundern die pittoresken, historischen Häuser, deren Täfer prachtvoll und bunt mit Blumen und Motiven aus dem bäuerlichen und handwerklichen Leben bemalt sind. Kunstvolle Aushängeschilder – Tafeen genannt – zieren Gasthöfe und Betriebe jeder Art.
Ein Abstecher in die Flauderei mitten im Dorf lohnt sich. Der liebevoll gestaltete Concept-Store mit Café ist eine Märchenwelt für sich. Hier kommt alles zusammen, was die Welt von Gabriela Manser und der Goba AG ausmacht, ergänzt durch ausgesuchte Accessoires und Geschenkartikel. Sogleich werden wir als Touristen entlarvt und mit Degustationstropfen von besonderen Likören und Gebräu verwöhnt. Ich degustiere den alkoholfreien Manzoni und bin begeistert.
Wir fahren weiter nach Trogen, wo das Pestalozzidorf beheimatet ist. Der Ort ist exemplarisch für die Blütezeit des Textilhandels im 18. und 19. Jahrhundert. Der grosszügige Landsgemeindeplatz mit seinen barocken Steinpalästen aus der Zellwegerdynastie und der monumentalen Kirche erinnert an eine Piazza in Italien. Die Mitglieder der Familie Zellweger waren Grosskaufleute im Textilhandel und machten die Zellwegerpaläste zu Zentren der europäischen Kultur. Seine kulturelle Identität bezieht Trogen auch aus den vielen schönen Bauern-, Heimarbeiter- und Fabrikantenhäusern in den eindrücklichen Strassen und Gassen rund um den Dorfplatz und in der näheren Umgebung.
Wellness und kulinarischer Genuss
Unsere Zieldestination ist der Kur- und Wellnessort Heiden. Das Dorf liegt auf einer Sonnenterrasse mit Blick über den Bodensee. Müde von den vielen Eindrücken des Tages, erholen wir uns im Spa des Hotels Heiden. Für das Dinner – als krönender Abschluss – planen wir, in den Olymp aufzusteigen.
Das Gasthaus zur Fernsicht in Heiden glänzt mit zwei Michelin-Sternen. Tobias Funke, Küchenchef und Geschäftsführer des Gourmettempels hat selbstredend nur ein Ziel: seine Gäste mit seinen Kompositionen zu verzaubern und kulinarisch zu erleuchten. Wenn das nicht der würdige Abschluss einer durchwegs gelungenen Wochenendreise ins Appenzellerland ist!