Portrait Matthias Ackeret
© Alberto Venzago

Dr. Matthias Ackeret – Publizist, Journalist und Schriftsteller

Er ist nicht nur promovierter Jurist, Journalist, Chefredaktor und Herausgeber der Schweizer Kommunikationszeitschrift «persönlich», sondern auch ein begnadeter Schriftsteller, der in den nächsten Wochen drei weitere Bücher publizieren wird.

Unsere Autorin Jessica Mor-Camenzind wollte mehr über ihn und seine neuen Bücher erfahren und natürlich wissen, wo sich seine zehn Lieblingsplätze befinden.

 

Matthias, nach deinem Jura-Studium bist Du schnell in die Medienwelt eingetaucht. Ein Journalist mit Herz und Seele, vom Radiomoderator beim Schaffhauser Radio Munot, zum VJ bei Tele Züri und Tele24, bis hin zum Bundeshauskorrespondenten für den früheren Fernsehsender S Plus.

Aber auch als Autor bist Du seit längerem unterwegs und hast bereits sechs Bücher publiziert. Einen Zürich-Reiseführer sowie die Romane «Die ganze Welt ist Ballermann – Karten an Martin Walser», «Der Hammermann», «Elvis» und «Eden Roc», welches von den Kritikern bejubelt wurde. Dein Sachbuch «Das Blocher-Prinzip» ist ein Bestseller und erscheint bereits in der achten Auflage. Auf welche neuen Bücher von Dir können wir uns freuen?

Einerseits gibt’s eine Neuauflage von «Eden Roc» und sowie eine erweiterte Ausgabe des «Blocher-Prinzip», deren 1. Auflage 2007 erschien. Angesichts der Coronakrise haben wir das Buch der aktuellen Situation angepasst, Christoph Blocher gibt persönliche und praktische Ratschläge, wie man schwierige Situationen am besten bewältigt.

Auf meinen neuen Roman «SMS an Augusto Venzini» freue ich mich aber besonders.

Dürfen wir mehr über dieses Buch erfahren?

Die Hauptfigur des Romans Augusto Venzini ist durch den berühmten Zürcher Fotografen Alberto Venzago inspiriert. Ich habe Venzini bereits in meinen früheren Romanen «Hammermann» und «Elvis» verwendet. Nun ist er Hauptakteur eines ganzen Romans. Ich habe das Buch vor einem Jahr während zwei Monaten zu dessen 70. Geburtstag innerhalb von wenigen Wochen geschrieben und habe es ihm und seinen Gästen bei seiner Geburtstagsparty in einer Kleinauflage überreicht. Pünktlich zu Alberto Venzago’s grosser Ausstellung im Museum für Gestaltung in Zürich, die am 9. Juli 2021 beginnt und bis Januar 2022 dauert, habe ich den Roman nochmals leicht überarbeitet.

Was passiert in dem Roman?

Augusto Venzini erhält 2019 eine SMS, in der er gebeten wird, dringend nach Venedig zu reisen. Lange ist im Buch nicht klar, warum er diese SMS erhalten hat, doch Venzini spürte, dass er nach Venedig muss, obwohl ihm bewusst war, dass die Situation sehr gefährlich werden könnte. In Venedig trifft er auf Beat Pestalozzi, seinen alten Widersacher, dessen Frau Venzini vor einiger Zeit ausgespannt hat. Nun kommt es zum grossen Showdown in der Lagunenstadt. Schauplätze sind Venedig, Paris, Washington, Hershey (USA), Zürich und die Alp Tambo am Splügenpass.

Das hört sich sehr spannend an, vor allem, weil es an Alberto Venzago’s Leben anlehnt, aber auch, weil doch einige interessante Schauplätze darin vorkommen. Das perfekte Stichwort. Denn gerne würden wir von Dir erfahren, welches Deine zehn Lieblingsplätze auf der Welt sind und wo sich diese befinden, aber vor allem auch, warum es genau diese Locations sind.

Es gibt viele Plätze, die mir gefallen, aber Frankreich ist wirklich ein Sehnsuchtsort. Gerade während der Pandemie wuchs diese Sehnsucht ins Grenzenlose. Frankreich löste schon immer in mir eine Melancholie aus. Ich kann gar nicht richtig erklären, warum.

Vielleicht ist es der Stil der Franzosen, ihr Savoir Vivre, die unendliche Eleganz der Sprache, die herzlichen Machos, die Musik von Joe Dassin, der  elegante Alain Delon, die wunderschöne Dalida oder der widerspenstige Jean-Paul Belmondo. All dies fasziniert mich seit ich klein bin. Fast tragischer Höhepunkt war 2008, als ich in Saint-Tropez in einem Mietwagen beinahe Brigitte Bardot angefahren hatte. Der Franzose ist auch einer, der sich nicht von unserer Over-Political-Correctness einschränken lässt. Ich denke, er ist all das, was wir Schweizer nicht sind. Darum wohl meine Sehnsucht, eine Projektion auf etwas Nichterreichbares. Unser Frankreichbild ist aber vor allem auf Paris und die Côte d’Azur fokussiert, dabei vergessen wir gerne, dass das Land wirtschaftlich angeschlagen ist und grosse innenpolitische Probleme hat.

Dann bin ich natürlich auf deine Lieblingsorte in Frankreich gespannt.

Es gibt natürlich auch Lieblingsorte, die sich nicht in Frankreich befinden, doch beginnen wir erst mit Frankreich, wenn wir schon bei diesem Thema gelandet sind.

Champs-Élysées, Paris. 1976 war ich mit meinem Vater in Paris. Das war meine erste Auslandreise überhaupt. 2017 wohnte ich der Beerdigung des Sängers Johnny Hallyday bei. Über eine Million Menschen verfolgten, wie dessen Sarg, eskortiert von 100 Harley-Fahrern, die Champs-Élysées hinuntergeführt wurde. Die grösste Beerdigung, die es für einen Entertainer überhaupt je gab. Mehr als bei Elvis oder Frank Sinatra. Das war wirklich beindruckend und die Erinnerung löst bei mir heute noch Hühnerhaut aus. Der französische Präsident Macron hielt eine Rede. Übrigens nicht ganz unähnlich jener, die er vor wenigen Tagen beim 200. Todestag von Napoleon gehalten hat. Höchstwahrscheinlich hat er nur die Namen ausgewechselt (lacht).

Arc de Triomphe de l’Étoile, Paris. Nicht gerade originell, weil sich der Triumphbogen am oberen Ende der Champs-Élysées befindet. Doch der Arc de Triomphe wird im September 2021 nach den Plänen des vor einem Jahr verstorbenen Künstlers Christo verhüllt werden (Anm. d. R: Die Verhüllung, die im September 2020 geplant war, wurde wegen der COVID-Krise um ein Jahr verschoben.) Ich habe Christo dreimal persönlich getroffen und habe mit meinem Uraltfreund Manfred Klemann mehrere Christohappenings wie die Verpackung des Berliner Reichstags oder die Gates im New Yorker Centralpark live vor Ort besucht. Deswegen werde ich – sofern es Corona erlaubt – im Herbst auch nach Paris gehen. Als letzte Referenz an den genialen Christo.

Hôtel du Cap-Eden-Roc, Cap d’Antibes, Südfrankreich. Oliver Prange (Journalist, Publizist und Herausgeber des Kulturmagazins DU) zeigte mir dieses wunderschöne Luxushotel, als wir für «persönlich» das Cannes Lions International Festivals of Creativity, welches Matthias Luchsinger als Schweizer Delegierter viele Jahre mitorgansiert hat, besuchten. Da entstand auch die Idee, den Roman «Eden Roc» zu schreiben.

Harry’s Bar, Venedig. Da ass ich wohl die teuersten Spaghetti dieser Welt, in Erinnerung 150.- für Spagos mit Tomatensauce! Sogar im Eden Roc sind sie ein bisschen günstiger. Trotzdem: ein magischer Ort. Man wartet auf Hemingway, obwohl man weiss, dass er nicht kommt. Habe dort auch den alten Herr Cipriani getroffen. Harry’s Bar spielt in «SMS an Augusto Venzini» die entscheidende Rolle.

Restaurant Fischer’s Fritz, Zürich-Wollishofen. Als das Restaurant eröffnete, war ich die ersten sieben Tage immer dort essen. Der «Tagesanzeiger» schrieb in einer Kritik, dass es langweilig sei, da man dort täglich Matthias Ackeret antreffe.

Ich finde den Besitzer Michel Péclard ein genialer Inszenator. Der schafft es, in all seinen Lokalitäten die richtige Stimmung rüberzubringen. Im Fischer’s Fritz hat man wirklich das Gefühl, in Long Island zu sitzen. Es tönt wirklich klischeehaft aber es stimmt, ich habe Péclard das erste Mal 2007 im Club 55 in Saint-Tropez getroffen, als er auf Recherche war.

Club B018, Beirut, Libanon. 2000 habe ich für Tele 24 den damaligen Bundesrat Joseph Deiss nach Ägypten, Syrien und in den Libanon begleitet. Mein damaliger Chef, Roger Schawinski, ist auch mitgekommen. Am letzten Abend besuchten wir den Tanzclub B018. Das war wirklich faszinierend. Dieser Club ist ein alter Bunker, der sich unter der Strasse befindet. Plötzlich öffnete sich die riesige Decke, die mit einem Spiegel versehen ist, und man tanzt unter dem freien Sternenhimmel der Hauptstadt Libanons. Das war grossartig. In Beirut ging das Nachtleben lange schon vor Paris, London oder Zürich ab. Auch Beirut ist für mich ein Sehnsuchtsort und mitunter ein Grund, warum ich Journalist werden wollte. Auslöser war der Film «Die Fälschung», in welchem der junge Bruno Ganz einen Stern-Reporter spielte, der in den libanesischen Bürgerkrieg geschickt wurde.

Pizzo Groppera, Provinz Sondrio, Italien. Als Roger Schawinski mit Radio 24 im November 1979 seinen Betrieb aufnahm, wurden dessen Signale vom grenznahen Pizzo Groppera in den Raum Zürich hinein gesendet. Das war für mich als Kantischüler der Beweis dafür, dass man sich in den Medien selber verwirklichen kann. Ich war schon einige Male in Madesimo und auf dem Berg, einmal sogar mit Roger, und jedes Mal löst es in mir starke Emotionen und Jugenderinnerungen aus, obwohl die Monsterantenne, die immer noch steht, längst ausser Betrieb ist.

Rheinfall, Schaffhausen. Dieser Ort ist für mich auch ein ganz wichtiger in meinem Leben. Denn von da komme ich her. Als kleiner Bub hörte ich nachts sogar in meinem Kinderzimmer das Rauschen des Wasserfalls.

Der Rheinfall hat etwas Mystisches. Die Kraft der Natur, die weder eingeengt noch gebändigt wird, zeigt sich dort ganz stark. Ich feierte auch meinen 50. Geburtstag am Rheinfall.

Schauspielhaus, Zürich. Ich kämpfe mit unserem Komitee für das Weiterbestehen des Pfauensaals im Schauspielhaus, damit dieser nicht abgerissen wird. Betritt man den Saal, spürt man die einzigartige Aura, die durch Brecht, Dürrenmatt, Frisch, oder Walser und Co.  geprägt ist. Natürlich könnten namhafte Architekten den Umbau stylish gestalten, doch man würde dem Pfauen die ganze Magie wegnehmen, und das möchte ich mit unserer Aktion «Rettet den Pfauen» verhindern.

Steinfels-Areal, Zürich. Für mich ist das Steinfels-Areal der Inbegriff des urbanen Zürich. Hier habe ich als VJ von 1994 bis 2002 im ersten Urteam von TeleZüri gearbeitet. Viele gute Kollegen wohnen heute noch im Areal. Deswegen verbindet mich viel mit diesem Ort.

Mehr über Matthias Ackeret

Seine Bücher erscheinen im Münster Verlag: https://www.muensterverlag.ch/

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