Sacha Batthyany
Doto: Dawid Żuchowicz

Sacha Batthyany – Journalist und Schriftsteller

Sacha Batthyany ist nicht nur ein begnadeter Journalist, der für die «NZZ am Sonntag» spannende und lebensechte Hintergrundgeschichten schreibt, sondern auch ein erfolgreicher Schriftsteller, der seine eigene, erschütternde Familiengeschichte aus der Nazizeit in seinem Buch «Und was hat das mit mir zu tun?» emotional, feinfühlig und fesselnd wiedergibt. Ich durfte den preisgekrönten Autoren zu seinen Schlüsselmomenten befragen und erfuhr dabei auch, an welchen zehn Orten diese zum Teil stattfanden. 

Sacha, du hast ursprünglich Soziologie studiert. Was war der ausschlaggebende Moment, in dem dir bewusst wurde, dass du Journalist werden möchtest?

Das weiss ich noch ganz genau. Ein Freund von mir, der dazumal als freier Journalist tätig war, erzählte mir eines Tages, dass er an der neuen Ostgrenze, quasi am Ende von Europa, entlang runterfahren und darüber berichten wird. Ich war so erstaunt, dass er reisen darf und gleichzeitig Geld dabei verdient. So packte ich meine Sachen und begleitete ihn auf dieser Reportage. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir das alte Klapperauto meiner Grossmutter in Österreich bestiegen und losfuhren. Natürlich hielt das Auto nicht lange stand und so kamen wir auf eine natürliche Art und Weise ins Gespräch mit Menschen, die uns auf der Reise begegneten. Mein Freund erklärte mir auf der Fahrt, dass man mit einem Stift und einem Schreibblock in der Hand ganz offiziell mit Menschen ins Gespräch kommen und kann. Das faszinierte mich, dass ich eigentlich jeden Menschen ansprechen und ausfragen durfte, ohne dabei als «crazy guy» zu gelten.

Das war also der Moment deiner Eingebung, deinen ganz persönlichen Traumberuf gefunden zu haben?

Ja. Die Kombination dieses vielfältigen Berufs liegt mir sehr. Einerseits das Reisen, das Schreiben, Fragen zu stellen, um dies danach in eine Geschichte umzuwandeln. Was mir aber dabei besonders gefällt, ist dieser Gegensatz. Einerseits muss man extrovertiert auf die Menschen zugehen können, und andererseits baut man danach alleine einen sehr intimen und ruhigen Moment vor dem Computer auf. Schnell wusste ich, dass ich mehr davon wollte und bildete mich zum Journalisten aus.

Du warst vor ein paar Jahren als USA-Korrespondent für die «Süddeutsche Zeitung» und den «Tages-Anzeiger» unterwegs. Wie hast du dein Leben in Zeiten von Fake-News in Washington erlebt?

Ich kann mich gut erinnern, als wir unsere Wohnung frisch bezogen. Da waren die Medien voll mit Breaking News. Ein heftiger Schneesturm würde bald auf Washington treffen und man sollte sich umgehend mit Notverpflegung eindecken. Auch unsere Nachbarn legten uns ans Herz, uns vorzubereiten. Alles war auf Panikmodus. Dann kam der Abend des Schneesturms und es schneite einfach. Was mich am nächsten Tag fasziniert hat war, dass die Menschen wegen der Panikmache der Medien nicht auf die Bäume gingen, sondern dass sie einfach froh und dankbar waren, dass nichts Schlimmes passiert ist.

2016 erschien dein erstes Buch «Und was hat das mit mir zu tun?», welches ein grosser Erfolg war und in über zwanzig Sprachen übersetzt wurde. Was war hier der zündende Moment, dass du dich entschieden hast, die ganze Familiengeschichte auszulegen und niederzuschreiben?

Ich besass das ganze Material meiner Grossmutter, hatte bereits viele Informationen gesammelt, ohne eigentlich geplant zu haben, ein Buch zu schreiben. Denn ich sah vor allem nur viele Hürden vor mir und dachte, dass diese Geschichte eh niemanden interessieren wird. Sehr lange habe ich überlegt, wie man eine Story über sich schreiben kann, sodass sie spannend und packend ist. Das Zündende war jedoch, als ich auf die Idee kam, mich in Therapie zu begeben. Ein bisschen wie Woody Allen. Nach der dritten, vierten Sitzung merkte ich, dass es in mehreren Hinsichten funktioniert. Einerseits hilft es mir persönlich und anderseits auch als Geschichte, als Szene.

Ganz offensichtlich hat es funktioniert!

Ein Bekannter hat mir dazumal gesagt, ich wäre kein Journalist, wenn ich diese Story nicht geschrieben hätte. Ich bin immer auf der Suche nach spannenden Geschichten und wie es der Zufall will, hatte ich eine praktisch vor der eigenen Haustüre.

Sind nach dem Niederschreiben der Familiengeschichte Antworten zu Tage gekommen aus Fragen, die zuvor gar nie im Raum standen? 

Ja, auf alle Fälle. Es gab mir zum Teil schon ein Bewusstsein und auch Einsichten, warum zum Beispiel meine Eltern so sind, wie sie sind, und wie ich bin und wo meine Wurzeln sind. Es hat schon was in mir ausgelöst.

Wann erscheint das nächste Buch?

<Lacht> Mal schauen.

Und, welches sind Deine 10 Lieblingsorte?

Two Amy’s Pizzeria, 3715 Macomb St NW, Washington, DC 20016. In meiner Zeit als USA-Korrespondent in Washington DC habe ich mich mit meiner Familie sofort in diese ausgesprochen gute Pizzeria verliebt. Der Ort wurde zu einem Stück Heimat in der Ferne.

Prussia Cove, Cornwall, England. Seit meiner Kindheit ist das einer meiner liebsten Orte der Welt. Einsamkeit, raues Meer, Cottages aus Stein, die dem Wind trotzen – und im Pub riecht es nach Bier und altem Frittieröl.

Il Porteghetto, Cervo, Italien. Auch ein Kindheitsort. Wenn man von Zürich immer Richtung Süden fährt, landet man irgendwann in dieser Strandbar mit dem flachen Felsen, der wie eine Zunge ins Meer hängt.

Medina Essaouira, Marokko. Ich kann mich an den Namen des Hotels nicht erinnern, aber es war das schönste Zimmer, das ich je hatte. Ganz oben auf dem Dach bei den Tauben, eine einfache Mansarde mit klapprigem Bett und Blick auf die Dächer und das Meer. 

Strand Book Store, New York. Kein New York-Besuch ohne einen Nachmittag im The Strand! Leider muss man wegen den vielen Büchern am Flughafen immer fürs Übergewicht bezahlen. 

Restaurant Ziegelhütte, Zürich. Perfekter Ort für Sonntagnachmittage mit Kindern und Hund und Kuchen und dann eben doch noch ein paar Gläsern Wein. 

Gasthaus Ubl, Wien. Es gab eine Zeit, in der ich immer wieder in Wien war – und jedes Mal ass ich in diesem alten Restaurant in der Nähe des Naschmarkts zu Abend. 

Sysmä, Finnland. Es ist die Region der 1000 Seen, und wer am Nachmittag in einer einsamen Sauna sitzt und dann etwas erhitzt ins braune Moorwasser springt, der jauchzt wie ein Kind. 

Zugfahrt von Colombo nach Matara, Sri Lanka. Ich sitze generell gerne im Zug, schaue aus dem Fenster und verliere mich in Gedanken, aber diese Fahrt von der Hauptstadt hinunter an den südlichsten Zipfel mochte ich besonders. 

Gemmayze, Beirut. Ich war nur einmal da, aber ich würde am liebsten morgen wieder hin.

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