Im traditionsreichen Tabakland Schweiz entstehen derzeit Zigarren-Startups: Zum Beispiel Caminovación, mit dessen Gründer wir einen Nachmittag verraucht haben.
Gerne wird im Zusammenhang mit exklusiven Genüssen von einem Erlebnis geredet. Doch in kaum einem Fall trifft der Begriff so zu wie beim Rauchen einer Zigarre. Kennen Sie es? Falls ja, überspringen Sie den Abschnitt bis zum ersten Zwischentitel.
Falls nein: Das Öffnen eines gut sortierten Humidors, der aufsteigende Duft nach Zedernholz, tropischem Erdboden und Fermentation, all dies markiert erst den Anfang. Man wählt vorfreudig das Format – halbe Stunde, dreiviertel Stunde, ganze Stunde, zwei Stunden … es gibt eines für jeden Bedarf. Man sucht die Zigarre aus, die einem am schönsten gewickelt scheint und die sich beim sanften Rollen zwischen Mittelfinger und Daumen leicht nachgiebig anfühlt. Man prüft ihren milden, fast körperlichen Duft, schneidet sie an und geht zum Anzünden der Tabakrolle über. Mit den ersten Zügen und der sich entwickelnden Glut an der Spitze beginnen sich die Nuancen zu entfalten: Ahnungen von balsamischem Räucherwerk, von Zimt oder Nelke oder Schokolade und von glimmendem Holzfeuer verbreiten sich im Raum. Im Mund – Zigarrenrauch wird bekanntlich nie inhaliert – löst der Rauch eine dichte, warm-würzige Geschmacksempfindung aus. Dann entlässt man ihn fast drucklos in die umgebende Luft, hüllt sich in ein nebliges Gewand aus Wohlgeruch und begibt sich auf die Reise ins Tabakparadies. Alleine – oder im Gespräch mit Freunden und gleichgesinnten Liebhaber:innen des Genusses. Zigarren zu rauchen ist eine echte «Customer Journey», wenn es jemals so etwas gegeben hat. Man aspiriert, sie inspiriert.
Treffen mit dem Markengründer
Einen besonders leidenschaftlichen Liebhaber balsamischer Genussreisen treffen wir Mitte Juni 2022 in einem Club, einem Mitgliedern vorbehaltenen Lokal in Zürichs linksufriger Altstadt. Sandro Gerber heisst der Mann, er ist Verwaltungsrat, Unternehmer und Sparring Partner mit eigener Company.
Bevor Gerber seine Zigarrenmarke gründete, rief er 2016 mit Freunden einen Club für Liebhaberinnen und Liebhaber des Rauchgenusses ins Leben, der Name: Caminovation Club. Der Club kam zustande, nachdem eine Freundesgruppe sich jahrelang regelmässig im Saal des Restaurants Camino zum Essen und Rauchen getroffen hatte … «ganz ehrlich, bei uns wird immer geraucht, auch beim Essen», lacht Gerber, nachdem er eine der von ihm produzierten Zigarren in Brand gesetzt hat. Der Name des Vereins lautet Caminovation Club, ein Kofferwort aus dem Namen des Clublokals und dem Zauberwort Innovation. Er umfasst Unternehmertypen und CEOs mit immerhin 6 Frauen unter gesamthaft 51 Members. «Innovation ist ein Lebensgefühl für uns und unsere Treffen», sagt Gerber. Sie seien besonders inspirierend, weil der Tabak jedes Gespräch auf ein anderes Level zu heben imstande sei, so der Markengründer. Und wenn in diesem Rahmen eine Idee entstehe – was quasi ständig der Fall sei – dann fühle sich meist jemand für deren Umsetzung verantwortlich. Im folgenden Fall war die Reihe an ihm, Sandro Gerber.
Es bleibt in der Familie
Es stand nämlich der Gedanke im Raum, dass der Club eine eigene Zigarrenmarke bekommen sollte. Als Clubpräsident und einziger Funktionär liess sich Gerber von einigen Geniesserfreunden dazu anstacheln, eine eigene Zigarrenmarke zu lancieren, natürlich unter einem Namen, der vom Club abgeleitet würde. Kein kleines Vorhaben: «Sehr viele Leute sagten mir, es würde nie klappen», sagt der Neo-Cigarier. Die Phase bis zu den ersten Kistchen mit der eigenen Marke brachte eine steile Lernkurve mit sich, und nach wie vor ist die Tätigkeit für die Marke von allerhand Überraschungen geprägt. Aber wer Innovation als Lebensgefühl empfindet, für den ist es Treibstoff und nicht Hindernis, wenn im Rahmen der 300 Arbeitsschritte vom Blatt bis zur Zigarre oder bei der Verpackung und dem Transport mal etwas anders läuft als geplant.
Seinem Mindset entsprechend, wollte Gerber keine White-Label-Produktion, also bei einem bekannten Zigarrenhersteller ein bestehendes Format einkaufen, um es mit fertig abgemischtem Tabakblend und eigenem Label zu versehen. «Das kann jeder.» Vielmehr klärte er in langwieriger Kleinarbeit die zermürbenden Formalitäten für den Import ab und suchte in der Dominikanischen Republik, ihm bis dahin ausschliesslich als Feriendestination bekannt, einen Produzenten für sein Vorhaben. Heute reist Sandro Gerber mindestens ein bis zwei Mal jährlich in die Karibik, um sich um sein Steckenpferd zu kümmern – und ein solches ist es zumindest derzeit. Am liebsten reist er in Begleitung seines derzeit zwölfjährigen Sohnes, der sich mit seiner fein justierten Nase schon heute für die magischen Gerüche der Zigarrenwelt und auch die grandiosen Geniesser Freundschaften dahinter interessiert, wer weiss was daraus wird», sagt Gerber zwischen zwei Zügen, und erläutert dann grob sein Konzept. «Für die Füllung mischen wir die Tabaksorten Seco und Ligero, gezogen aus kubanischen und nicaraguanischen Samen, aber auch aus dominikanischen», sagt Gerber. Sie würden bei einem einzigen Bauern eingekauft, was aus den Caminovacion-Zigarren gewissermassen ein Single-Estate-Produkt macht. Einzig die Deckblätter, ein sehr heikler Bestandteil jeder Zigarre, stammten teils aus Ecuador.
Hergestellt werden die Caminovación von einem kleinen Produzenten, dessen Gründer einst aus Kanada einwanderte und der die Fabrik zusammen mit seinem Sohn führt –ein Familienunternehmen also. Derzeit werden für Caminovación drei verschiedene, teils im Club getestete Sorten und Formate über das Jahr hinweg in kleinen Batches gerollt: Toro, Gran Toro und Salomones. «Salomone war schon immer mein Lieblingsformat. Dafür musste unser Betrieb erst Zigarrenpressen für die Filler anschaffen und die Roller eigens ausbilden», sagt Gerber, der einiges mitinvestiert hat und es «langfristig nicht ausschliesst den europäischen Markt zu erschliessen.» Gesamthaft werden derzeit 15’000 Stück jährlich abgesetzt, die Marke findet also weit über die Clubmitglieder hinaus Genussfreude und Verbreitung.
Lieferung mit eingebauter Feuchtigkeit
Natürlich waren die Caminovación-Zigarren vornehmlich für den Genuss im Kreis der Clubmitglieder gedacht; aber als Mann, der berufsmässig Gelegenheiten erkennt, hat Markengründer Gerber einen Webshop eingerichtet, in dem auch Aussenstehende einkaufen können. Der Zeitpunkt passt: In der Schweiz waren Zigarren aus Kuba, nach wie vor die begehrtesten Kreszenzen, bis anhin recht günstig. Im Zug eines Powerplays von neuen chinesischen Besitzern der globalen Handelsorganisation für Havannas wurden beliebte Marken wie Cohiba oder Trinidad im laufenden Jahr um bis zu 200% teurer – ein Schock, der anderen Produktionsstandorten helfen könnte.
Geliefert werden die zugkräftigen Caminovación serienmässig in 20er Holzkistchen, die Platz für eines der patenten Boveda-Befeuchtungspacks bieten. Sie eignen sich demnach auch für Zigarren-Einsteiger, die noch keinen Humidor zuhause haben, und sie sind besonders auch im 5er Kistchen ein grossartiges Geschenk für alle, die ihren Alltag mit etwas mehr Genuss und Poesie anreichern wollen.