In der Cinchona Bar ist abends viel los. Es ist vermutlich die umsatzstärkste Bar der Stadt Zürich. Das Konzept stammt von Joerg Meyer, dem Erfinder des Cocktails Basil Smash aus Hamburg. Die meisten Drinks werden als Highball serviert. Dies ist eine Cocktailkategorie, die – ähnlich wie ein Long-Drink – aus zwei Komponenten besteht. Neben der Basis-Spirituose wird ein Filler hinzugegeben. Es wird kein Shaker benötigt, was die Wartezeit für die Gäste für Ihren Drink verkürzt. Wer schon mal an einem Abend gegen Ende der Woche in der Cinchona Bar war, weiss, wie viele Gäste vor Ort sind. Dass Michael Kampmann mit seinem Team Grosses leistet, sieht man an den zahlreichen Gästen.
Wir treffen Marc Rotter, den CEO der Schminkbar, an einem ruhigen Montagnachmittag. In der Bar ist noch nicht viel los. Klar, schliesslich öffnet sie erst in einer Stunde ihre Tore für die Gäste. Wir dürfen aber schon mal rein.
Wer bist Du?
Hm, das ist eine schwierige Frage (schmunzelt). Im Ernst. Ich bin Marc Rotter, Berner mit tschechischen Wurzeln (beide Elternteile sind Tschechen). Als ich mich 1999 nach Zürich verirrte, habe ich nach kurzer Zeit die Liebe meines Lebens getroffen. Später haben wir dann geheiratet und eine Familie gegründet. Im Herzen bin ich immer noch Berner, doch in der Hauptstadt heute nur noch Tourist. Beruflich arbeite ich als CEO und Mitinhaber der Schminkbar (Schweiz) AG. Das Unternehmen wurde von Bea Petri, meiner Schwiegermutter, gegründet. In der Geschäftsleitung sind auch meine Frau und meine Schwägerin.

Du bist ein Familienmensch?
Total und von A-Z.
Du führst mit Deiner Frau und Deiner Schwägerin ein erfolgreiches Familienunternehmen in 2. Generation. Welche Herausforderungen hattet Ihr, als Ihr begonnen habt?
Kim, meine Frau, und ihre Schwester Lia waren bereits zusammen mit Bea in der ersten Generation dabei. Sie waren bei der Gründung nicht am Unternehmen beteiligt, aber Teil des Staffs. Im Dezember 2016 gab es die Möglichkeit, das Unternehmen zu übernehmen. Es war kein Geschenk. Wir haben uns verpflichtet und die Firma abgekauft. Es gab zwei Seiten: einerseits fiel es meiner Schwiegermutter Bea Petri nicht leicht, ihr Baby loszulassen, andererseits war das Vertrauen in ihre Töchter gross und sie wusste das Unternehmen in guten Händen. Meine Rolle war es zu diesem Zeitpunkt, eine externe Sicht ins Unternehmen in die Bereiche Finanzen und Strategie zu bringen.
Die grösste Herausforderung war, den Spirit und die Philosophie der Schminkbar so zu belassen, wie er war. Schliesslich steht das Unternehmen für den Geist meiner Schwiegermutter, die 13 Jahre Energie in den Aufbau steckte. Wir haben das mit viel gegenseitiger Empathie sehr gut hingekriegt.
Mein erstes Thema war die Digitalisierung der Buchungen. Die Termine wurden bei meinem Eintritt noch in der klassischen Buchagenda geführt. Diesen Prozess habe ich so digitalisiert, dass es intern einfacher wurde und dies, ohne das Tagesgeschäft zu tangieren.
Und wir hatten Lust auf mehr Wachstum. So hat sich die Belegschaft seit 2016 fast verdoppelt. In der Hochsaison sind wir bis zu 120 Teilzeit- und Vollzeitangestellte.
Wann ist denn Hochsaison in der Schminkbar?
Der Sommer ist unsere beste Zeit, inkl. Sommerferien. Unser Hauptgeschäft sind Manicure und Pedicure. Sobald die Füsse an die frische Luft dürfen, steigen bei uns die Buchungen. Von April/Mai bis Ende September ist unsere beste Zeit.
Du erzählst, dass Ihr Lust auf mehr hattet. Habt Ihr neue Standorte erschlossen?
Wir haben drei weitere Standorte in Winterthur, Luzern und eine weitere Filiale in Zürich eröffnet und dazu eine erste Franchise-Lizenz für Basel vergeben. Das gab es vorher nicht. Auch dies war eine meiner Aufgaben. Wir sind mit der Entwicklung in Basel sehr happy. Und doch haben wir festgestellt, dass das Schminkbar-Konzept sehr stark vom Family-Spirit lebt. Das bedeutet, dass wir uns trotz der guten Erfahrung in Basel dazu entschlossen, vorerst keine weiteren Lizenzen zu vergeben.
Gibt es weitere Projekte aus dem Hause Petri/Rotter in den nächsten Monaten, Jahren?
Es gibt immer Projekte in unserem Haus. Du kennst mich, Innovationen und Weiterentwicklungen treiben mich an. Es gibt da ein paar noch nicht spruchreife Themen.
Prozesse werden stetig und ständig angeschaut und wir optimieren, wo es geht. Durch die Pandemie ist das digitale Business interessanter geworden, wir verkaufen in der Schminkbar bis zu 2’000 Produkte an die KundInnen. Dafür haben wir einen Webshop gestartet und schauen auch hier genau auf die Prozesse. Und in den Startlöchern stehen ein, zwei Eigenprodukte.
In welche Richtung gehen diese?
Nagellack und Bodylotion, mehr verrate ich nicht. Schliesslich ist es noch nicht spruchreif. Diese Projekte laufen bei meiner Frau zusammen. Sie ist die Creative Director bei uns in der Firma und hat in den letzten 18 Monaten sehr viel Herzblut in diese Kreationen gesteckt.
Noch einen kleinen Ausblick über die nächsten Monate. Eure Kinder, die 3. Generation, steht eigentlich schon fast vor der Türe. Wo siehst du die Schminkbar, wenn ihr sie weitergebt?
Unser komplettes Herzblut steckt im Unternehmen und wir können uns aktuell gar nicht vorstellen, dass wir uns mit dem Gedanken beschäftigen müssen, diese mal abzugeben. Da wächst das Verständnis für meine Schwiegermutter nur noch mehr.
Wenn unsere Kinder später Lust und Freude am Thema haben, dann werden wir auf jeden Fall bereit sein. Das dauert jetzt aber schon noch eine Weile, bis es soweit ist.
Eure Geschäftsleitung besteht aus sieben Personen, Du bist der einzige Mann.
Genau, das ist natürlich in der heutigen Zeit ein Thema. Ich nehme die Schminkbar als sehr innovativen Arbeitgeber wahr. Seit ein paar Jahren sind Frauenquoten in der Führung in der Öffentlichkeit ein Thema. Bei uns geben seit 18 Jahren die Frauen den Ton an, und das ist gut so. Meine Rolle als einziger Mann im Unternehmen ist auf Augenhöhe. Ich mag es, meine Punkte in der Geschäftsleitung zu platzieren und schätze die Gesprächskultur. Ich finde, es spielt keine Rolle, welches Geschlecht jemand im Gespräch hat. Es geht in meinen Augen um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Charakteren und das Finden von Lösungen.
Hat ein Mann die Chance bei Euch als Nagel-Maler anzuheuern?
Klar, schliesslich haben wir einen der ersten männlichen Lehrlinge ausgebildet. Bei uns können sich alle mit der nötigen Qualifikation bewerben. Es spielt weder Hautfarbe, Geschlecht noch die Herkunft eine Rolle.
Wie und wo holst Du Dir Deine Energie bzw. lädst Du Deine Batterien?
Sport ist meine Energiequelle. Beim Tennis kann ich komplett abschalten. Ich geniesse die Stunden auf dem Tennisplatz. Ob Sommer oder Winter spielt keine Rolle. Die spielerische Art des Sports fasziniert mich, und das anschliessende Zusammensein mit den Freunden gibt mir einen schönen Ausgleich zum Alltag.
Im Winter bin ich der klassische Schweizer. So schnell wie möglich auf die Skier, ist da das Motto. Und da unsere Kinder dies auch mögen, ist das inzwischen Family-Time und lädt meistens die Batterien.
Das ist witzig, Berner sind doch alle Snowboarder.
Klar habe ich auch drei, vier Jahre als Snowboarder verbracht. Als ich es konnte, habe ich das Brett an den Nagel gehängt. Und als die Carving-Skier auf den Markt kamen, war dies für mich ein Zeichen, wieder auf die Latten zu setzen.
Hand aufs Herz. Könntest Du Dich guten Gewissens gegenüber einer Kundin auf den Behandlungsplatz setzen?
Haha, nein. Das würde in einem Desaster enden.
Du meinst, die Kundin würde nicht wieder kommen?
Definitiv nicht. Wir haben alle Prozesse so gebaut, dass es mich nicht an vorderster Front braucht. Mein Hoheitsgebiet liegt im Büro und als Gastgeber in den Filialen. Das Handwerk überlasse ich den Profis.
Deine Frau und Du, ihr seid beide Berner…
Nun, Kim ist seit ihrem 8. Lebensjahr in Zürich zu Hause. Sie sieht sich eher als Zürcherin. Obwohl zu Hause Berndeutsch gesprochen wird.
…ist das vielleicht Euer Beziehungsgeheimnis?
Vielleicht.
Zusammen lacht Ihr auch viel.
Klar, ich bin ja eine sehr lustige Person. Im Ernst. Kim ist ein Sonnenstrahl, die praktisch immer gute Laune hat. Und der ähnliche Humor trägt seinen Teil dazu bei, dass wir oft zusammen lachen. Was für mich aber auch sehr wichtig ist, ist dass wir uns auch streiten können. In meinen Augen gehört das genauso zu einer Beziehung dazu. Und wir kriegen das seit über 18 Jahren wunderbar gemeinsam hin.
Wir sitzen heute in der Cinchona Bar in Zürich. Das Drink-Konzept ist ein Highball Konzept. Mit wenigen Zutaten und innerhalb kürzester Zeit einen guten Drink herzustellen. Kann man aus diesem Konzept etwas für Dein Business kopieren?
Es ist witzig, denn der Ansatz für das Schminkbar-Konzept ist ähnlich. Schliesslich bieten wir den Kunden in kürzester Zeit eine kleine und kurze Auszeit vom Alltag mit Wellness und gesunden Food-Häppchen. Es macht in unserem Konzept vollends Sinn, denn wir arbeiten nur mit dem Natur-Nagel an Händen und Füssen. Dabei ist Effizienz ein wichtiger Faktor, ohne an Qualität einzubüssen, und somit sehr gut vergleichbar mit dem Barkonzept der Cinchona Bar.
Wenn Du Dich auf die Seite des Barkeepers stellst, was bekommt der Gast?
Erst eine heisse Schokolade und dann ein Vodka Red Bull (lacht). Ich geniesse ausser dem Gimlet selbst weniger Cocktails, deswegen bekommt der Gast bei mir eine gute und intensive Beratung zu Wein. Vermutlich wäre ich an einer Naturwein-Bar zurzeit am besten aufgehoben. Müsste ich aber an einer Bar Kunden verwöhnen, sie bekämen den Longdrink Gin Tonic in allen Varianten und vielleicht meinen Lieblings-Cocktail serviert.
Wir haben erstmals einen alkoholfreien Drink im Glas. Wie schmeckt Dir sowas?
Wow. Das ist sehr erfrischend. Ich mag die frische und bittere Komponente dieses Drinks. Er schmeckt ausgewogen. Ich kann mir gut vorstellen, ihn auch im Sommer zu geniessen.
Ausser dem Gimlet, was bestellst Du an einer Bar?
Da bin ich eher auf der süssen Seite. Ob es ein Riesling Kabinett mit einer Restsüsse ist oder ein Amaretto Sour, da bin ich sofort dabei. Mischgetränke mit Zucker sind wie für mich gemacht.
Dein Schluss Statement?
Wir sind dankbar, wenn die KundInnen weiterhin so zahlreich bei uns vorbeikommen. Bei uns gibt es auch das ein oder andere zu trinken. Er schmunzelt.
DANKE Marc fürs Gespräch.