Spitzenkoch David Krüger hat sich der Verbindung von Sterneküche mit traditionellem einheimischen Pflanzen- und Kräuterwissen verschrieben. Sein Vorgehen ist eine Mischung aus historischer Recherche und eigenen geschmacklichen Experimenten. Blüten, Blätter und Wurzeln, Beeren, Samen und Früchte traditioneller und lange vergessener Kräuter gleichermassen werden identifiziert, gesammelt, frisch verarbeitet, getrocknet, fermentiert oder eingemacht und ihre einzigartigen Aromen danach zu einer leichten, heimisch-saisonalen Küche verarbeitet. Diese sucht hierzulande ihresgleichen und wurde mit 15 Punkten ausgezeichnet. Sein langjährig angesammeltes enzyklopädisches Pflanzenwissen gibt er zurzeit zweimal pro Woche in Kräuterspaziergängen weiter.
Ich treffe David an einem unauffälligen Waldrand in der Nähe von Rotkreuz. Wir starten sofort, im Moment sind die Himbeeren reif. Das theoretische Wissen bestätigt sich sofort am Gaumen. Die wilden Himbeeren sind eine Geschmacksexplosion, in ihrer Intensität selbst mit frisch auf dem Markt gekauften Früchten nicht vergleichbar. Auf einem Grasstreifen neben dem Radweg wächst allerlei «Unkraut», im Normalfall würde man einfach darüber hinwegsehen. David jedoch pflückt und erklärt und lässt probieren und ich werde in den nächsten zwei Stunden Pflanzen kauen und Geschmäcker erleben, wie ich es nicht zu träumen gewagt hätte.
Interesse an Pflanzen und Küche hatte er schon in seiner Kindheit
David Krüger hat sein Kochhandwerk bei einem der weltbesten Köche gelernt. Sein grosses Talent wurde von Harald Wohlfahrt in der «Traube Tonbach» in Baiersbronn entdeckt, wo er als Jüngster unter Hunderten von Bewerbern in die Sterneküche eingeführt wurde. Eine besondere Erinnerung daran ist ihm heute noch die Kompromisslosigkeit in Bezug auf Qualität. Sein Interesse an der Verbindung von Pflanzen und Küche stammt jedoch schon aus seiner Kindheit. Aufgewachsen auf der Insel Rügen als Enkel einer Köchin mit eigenem grossen Garten durfte er sich schon als Kind in der Küche und im Garten als Helfer betätigen.
Auf unserem Spaziergang erfahre ich über Verwendung und Geschmack von Nachtkerze, auch Schinkenwurz genannt, über Schaumkraut, Ölrauke und Kamille, Knoblauchrauke und Breitwegerich. Eine grosse Überraschung für mich ist dabei, wie viele Pflanzen und Blüten unerwartete Aromen, wie zum Beispiel Pilzaromen entwickeln. Wir sprechen über die Bedeutung von Bitterstoffen und ihren Nutzen in der Geschmacksbalance der gehobenen Küche genauso wie für die Gesundheit.
Neben vielen unbekannten Planzen kocht David auch mit alten Bekannten und interpretiert sie neu. Vom Bärlauch zum Beispiel hat er Knospen und Zwiebeln süss-sauer eingelegt, die Blüten werden in Teig ausgebacken oder zu Suppe verarbeitet. Diese Bärlauchblütensuppe besticht nicht nur durch ihre weisse Farbe, sondern auch durch ein unerwartetes Aroma nach weissem Spargel.
Momentan arbeitet David an einem «Agefood» Kochbuch
David Krüger war bis vor kurzem im Hotel Ambassador Opera in Zürich für die Küche verantwortlich. Weil dort im Moment umgebaut wird, nutzt er die Zeit für einen langgehegten Wunsch und arbeitet an einem «Agefood» Kochbuch. Er wird darin saisonale Rezepte mit wildwachsenden Pflanzen vorstellen. Dafür verlässt er die gängige Einteilung in vier Jahreszeiten, um genauere Angaben über das Sammeln der Pflanzen und ihr Vorkommen machen zu können. Kräuterglossars runden das Werk ab, das im nächsten Jahr erscheinen wird. Mit seinem Konzept «Age Food» interpretiert er Nachhaltigkeit in der Küche neu als Verbindung aus Achtsamkeit mit dem Wissen, dass Essen zutiefst mit Emotionen verbunden ist.
Wer nicht solange auf das Buch warten möchte, kann sich jederzeit allein oder in Gruppen für einen der Kräuterspaziergänge anmelden. Ihn erwartet ein einzigartiges Erlebnis, das für Kochenthusiasten genauso geeignet ist wie für Freunde und Familien!