Franziska Richard
© bellevue-parkhotel.ch

Franziska Richard – Direktorin Parkhotel Bellevue & Spa Adelboden

Das Parkhotel Bellevue & Spa in Adelboden ist eine Schweizer Ikone der klassischen Moderne. Seit drei Generationen wird das Haus auch von Frauen der Inhaberfamilie geführt. Jetzt leitet es Franziska Richard. Ihren Job als Food-Journalistin hat sie für das Hotel aufgegeben. Das Hotel mit der eleganten, nüchtern-weissen Fassade liegt in einem der schönsten Skigebiete des Landes. Doch Schnee lässt die 50-jährige Directrice kalt. Ein Gespräch über weibliche Führungsstile und Manieren in Hotels – und warum es sich lohnt, den Arbeitstag früh morgens alleine im Speisesaal mit einem Kaffee zu beginnen.

Frau Richard, was bedeutet gute Hotellerie für Sie?

Zum Beispiel einen kulturellen Anspruch zu haben, der über den Teller und das Bett hinausgeht. Mir gefallen Hotels, in denen man eine Affinität für Architektur, Literatur/Sprache und Musik spürt, ohne dass dies aufgesetzt wirkt. Natürlich sind sie in ihrem Kerngeschäft sorgfältig und professionell und haben eine Liebe zum Detail.

Ihre Mutter und Ihre Grossmutter waren bereits im Parkhotel als Managerinnen tätig. Was haben Sie an den beiden geschätzt?

An meiner Mutter ihre Spontaneität, ihre Herzlichkeit und ihre Intuition. Ich wage zu sagen, dass sie eine Jahrhundert-Hotelière war. Es konnte jemand zur Tür hereinkommen, und sie wusste, was dieser Gast jetzt gerade braucht und sich wünscht. Menschen haben sie interessiert, sie hatte ein aufrichtiges Interesse an ihnen, und das spürte man natürlich. Meine Grossmutter war eine «coolere» Hotelière. Sie wurde als Mutter zweier Söhne früh Witwe und managte das ganze Haus alleine. Auch dafür habe ich grosse Bewunderung.

Oscar Wilde hat einmal gesagt: «Alle Töchter werden wie Ihre Mütter.» Würden Sie dem zustimmen? Gibt es Parallelen in der Art, das Hotel zu führen?

Er hat es wohl nicht als Kompliment gemeint (lacht). Insofern könnte ich Wilde nur beruhigen: Ich bin keine Jahrhundert-Hotelière. Gleichwohl denke ich manchmal: «Jetzt wirst du langsam wie Mutter.» Wenn ich mich beispielsweise über Dinge ärgere, die nicht auf den Punkt gebracht sind. Meine Mutter hat es alles andere als gepasst, wenn die Details nicht stimmten. Sie fühlte sich dann in ihrem Berufsstolz verletzt. Von meiner Mutter weiss ich auch, worauf es ankommt, damit ein Gast zufrieden ist: Dass wir ihm mit kleinen Gesten und Dienstleistungen zeigen, dass er uns wichtig ist. Das Interesse am Gegenüber, vielleicht in etwas anderer Form, ist auch bei mir vorhanden. Im Bellevue ist es Tradition, dass die Direktorin abends für ein paar Stunden im Service ist. Man kann das für altmodisch erklären, ich finde es nach wie vor sehr gut, weil man so auf elegante Art mit dem Gast in Kontakt kommt.

Was hat sich grundsätzlich in der Führung eines Hotels geändert?

Vieles. Unter anderem die Administration, die einen heute sehr auf Trab hält. Meine Mutter hatte das Glück, nicht einmal ein Büro zu haben. Natürlich setzt die Generation X einen ganz anderen Führungsstil voraus. Mit Drill muss man ihnen sicher nicht mehr kommen, gleichwohl reagieren sie erstaunlich gut, wann man ihnen Konventionen auf- zeigt. Dieser Dialog zwischen den Generationen ist für mich sehr reizvoll, weil ich mich und unsere Generation so auch selbst immer wieder hinterfrage.

Wie führen Sie die Mitarbeiter?

Ich bin nicht der Typ «Ich voraus und alle anderen hinter mir her». Ich entscheide und entwickle wenig allein, sondern im Gespräch mit den Mitarbeitenden. Die Stärken eines Mitarbeitenden interessieren mich weit mehr als die Schwächen. Deshalb liegt mir viel daran, Mitarbeiter zu fördern und sie richtig einzusetzen. Mit wöchentlich stattfindenden Einzelgesprächen gebe ich einen Rahmen vor und muss zwischendurch nicht ständig intervenieren. Zentral ist, dass man zusammenpasst, die gleichen Werte teilt. Harmoniert man nicht, braucht es den Mut, sich von einem Mitarbeitenden zu trennen.

Finden Sie es selbstverständlich, dass Frauen zu Hause für ihre Männer kochen?

Nein. Weshalb auch? Es soll der kochen, der es besser kann, zum Wohle beider. Das ist nicht selten der Mann.

Sie sind Journalistin und Hotelière. Gibt es etwas, das die beiden Berufe vereint?

Im Endeffekt geht es auch im Hotel wie im Journalismus um Kommunikation, und das interessiert mich nach wie vor sehr.

Was unterscheidet eine weibliche Führungskraft im Hotel von einer Männlichen?

Das kann ich nicht grundsätzlich sagen. Und möchte auch nicht pauschalieren. Nicht selten stelle ich jedoch fest, dass Frauen stärker vom Du ausgehen und nicht vom Ich. Dadurch spürt man zuweilen eine höhere Gastfreundschaft. Ich selbst stelle mir immer die Frage: Was will der Gast? Das muss sich nicht mit meinen Bedürfnissen decken. Ich bin da sehr pragmatisch, was wohl eine weibliche Eigenschaft ist – obwohl man das Frauen gerne abspricht.

Vor welcher Tätigkeit im Hotel haben Sie den grössten Respekt?

Vor dem Housekeeping respektive den Mitarbeitenden, die im Hintergrund arbeiten. Die Arbeit fordert sie sehr, das ist hart. Und sie werden nur wahrgenommen, wenn etwas einmal nicht so gut ist.

Haben die Manieren der Gäste im Hotel nachgelassen? Und wie wichtig sind Ihnen Manieren?

Das hört man oft. Bei uns trifft dies jedoch in keiner Weise zu. Der Bellevue-Gast ist sehr höflich und korrekt, auch im Umgang mit den Mitarbeitenden. Vielleicht macht dies auch die gute Atmosphäre des Hauses aus. Ich fühle mich wohl, wenn jemand gute Manieren hat, es ist eine Form der Wertschätzung dem Gegenüber und letztlich auch sich gegenüber. Vielleicht sind gute Manieren heute noch wichtiger.

Hat sich bei Ihnen noch nie ein Gast so richtig daneben benommen?

Nein, aber es kam vor, dass die Kinder von streng erziehenden Eltern hier das Erwachsenenleben in all seinen Facetten entdeckt und ausgekostet haben. Wir gingen mit der jungen Generation einen Pakt des Schweigens ein.

Wie unterscheidet sich der heutige Gast von dem von früher?

Die aktuelle Bewertungskultur fördert nicht gerade, dass sich Gäste auf etwas einlassen können, das anders ist, als sie es erwartet haben. Statt den Aufenthalt in seiner Gesamtheit zu geniessen, sind einige sehr damit beschäftigt, jedes kleinste Detail durch ihren Bewertungsfilter zu lassen. Die Entspannung bleibt so etwas auf der Strecke, und auch wir müssen lernen, damit umzugehen.

Finden Sie es unangebracht, wenn sich ein Gast im Bademantel in die Lobby setzt?

Mittlerweile nicht mehr, ich bin da viel entspannter geworden. Solange es nicht alle machen, finde ich es überhaupt kein Problem.

Können Sie Konflikte besser mit Frauen oder mit Männern austragen?

Wie gut das gelingt, hängt bei mir eher davon ab, wie umgänglich und lösungsorientiert jemand ist.

Hat sich in Ihrer Hoteltätigkeit bereits ein Ritual ein- gestellt? Womit beginnen Sie den Tag im Hotel?

Mit zwei Tassen Kaffee. Manchmal trinke ich sie frühmorgens im noch leeren Speisesaal. Es ist ein wunderschöner Raum, vor allem, wenn der Tag langsam anbricht. Ich sitze meistens recht lange hier, nehme nur eine kleine Ecke des bereits aufgedeckten Tisches in Anspruch. Der Raum hat eine gute Wirkung auf mich. Plötzlich finde ich Lösungen für zuvor ungeklärte Dinge und neue Ideen.

Wann haben Sie das letzte Mal vor sich hingesungen?

Als ich für unser Hotel einen Singkurs organisierte. Im Vorgespräch meinte die Dozentin, dass jeder singen könne. Ich machte die Probe aufs Exempel, kam jedoch zu einem anderen Schluss.

Ihr Hotel liegt in einer der schönsten Bergregionen der Schweiz. Gehen Sie zum Abschalten mal kurz auf die Skipiste?

Komischerweise lässt mich das Skifahren völlig kalt. Wie Leute Freude daran haben können, im Schnee herumzustapfen, verstehe ich ebenfalls nicht. Umso schöner finde ich jedoch das Wandern im Sommer und den Sommer in den Bergen ganz allgemein. Dieses Grün, diese Luftigkeit, diese Unbeschwertheit – da spüre ich dann Heimat.

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