Andy, es freut mich sehr, Dich wiederzusehen. Das letzte Mal haben wir uns im Last Tango bei einer Ausstellung der französischen VR Künstlerin Mélodie Mousset getroffen. Dass Du einer der beliebtesten und bekanntesten Art Blogger der Schweiz bist, habe ich erst später erfahren. Ich habe Dich als sehr entspannt und unprätentios empfunden. Sehr sympathisch. Dabei hast Du mit über 68’000 Followern auf Instagram eine ganz schön grosse Gefolgschaft.
WANN UND WIE IST EIGENTLICH DEIN INTERESSE FÜR KUNST ENTSTANDEN?
Mein Interesse an Kunstgeschichte entstand erst als Jugendlicher, als ich zusammen mit meiner Grossmutter mütterlicherseits und meinem Bruder zum ersten Mal Museen wie das Louvre, die Tate Modern oder das Prado besuchte und weltbekannte Werke der Kunstgeschichte sah. Verstärkt wurde es durch die Fächer «Bildende Kunst» im Gymnasium und «Arts and Antiques Markets» während meines Studiums in London.
Der generelle Kontakt zu Kultur und Malerei entstand jedoch schon viel früher, als ich als Kind meiner Grossmutter väterlicherseits bei der Öl-Malerei in ihrem Studio in Athen zusah. Zudem nahmen mich meine Eltern schon als Kleinkind mit auf Exkursionen zu archäologischen Stätten in Griechenland, wo ich der antiken Kunst, wie Skulpturen und der Vasenmalerei, bereits in sehr jungen Jahren begegnete.
DU SCHREIBST, DEIN BLOG «ANDY MEETS WARHOL» IST EINE PLATTFORM «TO EXCHANGE AND DEBATE ABOUT ART IN SWITZERLAND». KANN MAN ÜBER KUNST DEBATTIEREN? ÜBER GESCHMACK LÄSST SICH BEKANNTLICH NICHT STREITEN.
Ich habe schon oft gehört, dass Debattierrunden in der Kunst unstrittig, unfair oder sinnlos sind, weil Kunst «subjektiv» ist. Diese Subjektivität schreckt dann oft vor einer Debatte ab. Manche denken auch, dass – wie du auch sagst – sich über Geschmack nicht streiten lässt. Ich finde jedoch allein schon die Frage, was gute oder schlechte Kunst ist, eine Debatte wert. Fragen wie: Was ist die Rolle der Kunst? Wie bewertet man ein Kunstwerk? Was ist der Bezug zwischen dem Künstler und dem Werk? Ist Kunst ein Weg der Kommunikation und der Selbstentfaltung? Was ist die Rolle der Künstler? Bringen Künstler eine transformatorische Qualität? Was ist die Rolle der Kunstbetrachter? Wie interagiert Kunst mit unserer Gesellschaft? Das sind alles Fragen, die sehr wohl eine gute Debatte formen können.
CHRISTOPH SCHLINGENSIEF MEINTE EINMAL «KUNST WIRD ERST DANN INTERESSANT, WENN WIR VOR IRGENDETWAS STEHEN, DAS WIR NICHT GLEICH RESTLOS ERKLÄREN KÖNNEN.» WANN WIRD FÜR DICH KUNST INTERESSANT? UND GIBT ES KUNST, DIE DICH GAR NICHT INTERESSIERT?
Für mich wird Kunst erst dann interessant, wenn sie mich emotional berührt. Bei der ich innerlich stehenbleibe. Wenn sie facettenreich ist und offen für unterschiedliche Interpretationen. Wenn sie Dinge hervorbringt, die man nicht in Worte fassen kann; die ungezwungen entstehen. Etwas auf den Punkt bringt und Dinge miteinander verbindet, wo man normalerweise keine Verbindung sieht. Und wenn gesellschaftliche und politische Geschehnisse friedlich mit Kunst kritisiert werden. Ich finde Kunst auch spannend, wenn sich daraus die Sicht auf etwas verändert und eine andere Art darstellt, Dinge zu empfinden und zu erleben.
Mich interessiert jede Form von Kunst. Es gibt wirklich kein Limit für mich. Und alle Wahrnehmungen inspirieren wiederum auch meine eigene Ölmalerei. Momentan befasse ich mich vor allem mit Künstlern aus der Kunstgeschichte, wie beispielsweise Félix Vallotton, Francis Bacon, Henri Rousseau oder Andy Warhol, und Schweizer Bildhauern sowie lebenden Künstlern, wie Roman Signer, Sara Masüger, Sylvie Fleury oder Marta Margnetti.
WELCHE KUNST SAGT DIR PERSÖNLICH BESONDERS ZU?
Kunst, die ohne Kompromisse ehrlich ist, mutig, unbefangen, ehrgeizig, aufschlussreich, originell, herausfordernd und ein Fest für die Sinne. Gute Kunst bewegt Menschen. Dabei ist die Form / das Medium für mich zweitrangig. Das kann bildende Kunst sein – Malerei, Zeichnung, Bildhauerei – oder Musik, Tanz, Theater oder die geschriebene Kunst der Literatur oder Poesie. Bei mir geht das alles. Momentan befasse ich mir etwas mehr mit der Malerei: Ein paar lebende Künstler, dessen Werke ich zurzeit gut finde: Nicolas Party, Christina Quarles, Tschabalala Self, Albert Oehlen.
Darüber hinaus sagt mir auch die Kunst von Joan Jonas, der amerikanischen Pionierin der Video-und Performancekunst, zu: Sie ist bekannt dafür, Werke zu kreieren, die ein vielschichtiges Netz aus Materialien und Bedeutungen mit sich bringen. Dabei bewegt sie sich zwischen verschiedenen Medien, Disziplinen und Orten.
DIE 10 LIEBLINGSORTE VON ANDY HERMANN
1. LONDON
Ich habe sieben Jahre in Zentrallondon, Covent Garden, Islington und Shoreditch gelebt. Zwei Jahre lebte ich in einer Mansardenwohnung in Covent Garden, in welcher früher auch der Pink Floyd Drummer Nick Mason gelebt hat.
Sketch. Ein modernes europäisches Restaurant, Cocktailbar und Teestube an der 9 Conduit Street, London W1S 2XG England. Einer meiner Lieblingsorte, schon seit sehr vielen Jahren, da in den vielen verspielten Räumlichkeiten sich alles um Kunst dreht: Jeder Raum in dem Londoner Stadthaus aus dem 18. Jahrhundert ist individuell mit ungewöhnlichen Deko-Details und Kunstinstallationen bestückt. WC-Kabinen in Eierform, eine Glade-Bar im Märchenwald bis zu vergoldeten Rokoko-Möbeln, die aus dem Boden «wachsen».
Brasserie Zédel. Eine Pariser Brasserie mit einer Einrichtung aus den 1930er Jahren in Piccadilly.
The Mayor of Scaredy Cat Town. Eine geheime Bar, welche mit Vintage Möbeln und bizarrer Kunst ausgestattet ist. Ich bin ein Fan von Orten, an denen man immer etwas Neues entdeckt; die eine Geschichte erzählen oder neue Emotionen erwecken.
2. ATHEN
Hier bin ich geboren. Ich besuche die Stadt mehrmals im Jahr.
Ehemalige öffentliche Tabakfabrik. Ein toller Ort der Kunst im Piräus. Die grossen Installationen laden besonders zu einem Entdeckungsbesuch ein.
Cycladic Café. Das Café des Museums für kykladische Kunst ist ein Ort, der mir besonders gefällt. Eine stimmungsvolle, schwebende Fassadenskulptur von Stelios Kois erzeugt ein subtiles Spiel von Licht und Schatten und lädt zum Relaxen ein.
Ergon House. Ein wunderschöner Innenhof. Besonders toll finde ich die verschiedenen Delikatessen und Gewürze aus ganz Griechenland.
Rakor. Das Rakor bietet eine moderne und kreative Version der griechischen Küche kombiniert mit Live Jazz Musik.
Poseidontempel. Der Tempel, erhaben auf einer 60 Meter hohen Klippe über dem Meer, ist ein Bilderbuchort griechischer Baukunst. Ein toller Ort, um den Sonnenuntergang zu geniessen.
3. MÜNCHEN
Hier habe ich eine Zeit lang studiert.
Haus der Kunst und Goldene Bar. Das Museum bietet immer ein Programm mit Ausstellungen prägender Künstler aus der ganzen Welt. Am besten mit einem Besuch in der Goldenen Bar verbinden.
Müllersches Volksbad. Seit 1901 eröffnetes, öffentliches Schwimmbad im Jugendstil mit römischem Bad und Café. Ich bin Fan von Orten, die einen in eine andere Ära transportieren; genau dies schafft dieser Ort.
4. NEW YORK
Strip House 13 E 12th St.. Super leckeres Steak in einem roten Ambiente umgesetzt von Innenarchitekt David Rockwell. Eine lederbesetzte Bar und Plüschkabinen, die von Pinup-Fotos eingerahmt sind, erinnern an eine Filmszene wie in einer Burlesque Bar der 30er Jahre.
Waldorf Astoria New York. Hier verbrachte ich mehrere Wochen, als Teil eines Trainingsprogramms. Das Hotel befindet sich gerade in einer 3-jährigen Renovationsphase. Jedoch ist das Peacock Alley Restaurant in der Hauptlobby ein Highlight. Die Live-Musik des Pianos kreiert eine wunderbare Atmosphäre des alten «New Yorks».
Banksy’s Strassenkunst. Hammer Junge. Bei Trader Joe’s nahe bei der 72nd Station befindet sich dieses kleine Graffitti von Banksy. Was ich besonders finde, ist, dass dieses noch so gut erhalten und intakt ist. Die meisten seiner Werke wurden entfernt, gestohlen oder weiterverkauft.
5. ZÜRICH
Der Alte Botanische Garten ist eine grüne Oase im Zentrum von Zürich, die zum Verweilen einlädt. Für mich als Pflanzenliebhaber sind das alte Palmenhaus und der Gessner-Garten, ein mittelalterlicher Kräutergarten, meine persönlichen Highlights.
Bar am Wasser. Die Bar erinnert mich etwas an New York und London; Orte, an denen ich bereits gelebt habe.
Nordiska Roddföreningen Ruderclub. Ein toller Ort in Wollishofen. Hier verbringe ich oft meine Zeit mit Freunden zum Segeln und Schwimmen.
Holzbrücke Seedamm-Weg. Über das Seedammufer nach Rapperswil SG: Eine schöne Wanderroute, die ich immer wieder gerne unternehme.
Das tolle Brutalist Haus im Züriberg der Familie meines Kollegen Romeo Bucher.
McDonalds am Bahnhofplatz. Das Restaurant, für das ich als Gastgeber/ Guest Experience Leader tätig bin. Zuvorkommender Service, frische Burger und ein offener, unbeschwerter Ort zu Preisen, die für alle erschwinglich sind.
6. BASEL RIEHEN
Vitra Museum. Der Vitra Campus ist immer ein Besuch wert. Das ganze Areal bietet immer wieder neue Eindrücke und Inspiration im Bereich Design und Architektur.
Fondation Beyeler. Das Museum bietet mit seinen Ausstellungen immer neue Einblicke in die Kunstgeschichte – ein Bereich, der mich sehr interessiert. Daher bin ich mehrmals jedes Jahr dort.
Tinguely Museum. Die «bewegende» Kunst Tinguelys mit verspielten Maschinen kombiniert mit Musik und Bewegung faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Man nimmt die Werke immer wieder anders war, da sie sich auch unerwartet bewegen und Geräusche machen.
7. LISSABON
Museum of Art, Architecture and Technology. Aussergewöhnlich futuristische und innovative Architektur der britischen Architektin Amanda Levete. Immer wieder spannende Ausstellungen und Kunstinstallationen im Aussenraum von interdisziplinären Künstlern. Starker Fokus auf wissenschaftliche, politische und ökologische Fragestellungen in der Kunst.
Schloss Quinta da Regaleira Sintra. Wie ein Märchenschloss aus einem Film: Neben einem exzentrischen, neogotischen Hauptgebäude ist vor allem die Parkanlage faszinierend. Die Bauten sind wie aus dem Märchen oder eines Harry Potter Films, so geheimnisvoll, wie auch die Zisterne mit ihren unterirdischen Gängen.
8. DISNEYLAND
Das Disneyland in Paris regt meine Fantasie an und inspiriert meine Kunst. Zum Beispiel die Attraktion Star Wars Hyperspace Mountain, das Labyrinth von Alice im Wunderland oder Big Thunder Mountain.
9. ENGADIN, SCHWEIZ
Die Orte Zuoz, Susch und St. Moritz.
Eine besondere Kombination von Natur, Wintersport und Kultur. Ein Highlight ist das Muzeum Susch. Ein Ort, den ich immer wieder gerne besuche.
La Baracca St. Moritz: Ausser dem feinen Essen, das mir besonders gut gefällt, ist das «La Baracca» eine unbeschwerte und lässige Alternative zu den restlichen Lokalen in St. Moritz. Tolle Atmosphäre inspiriert von Street Culture.
10. STRÄNDE AUF DEN GRIECHISCHEN INSELN UND DAS GRIECHISCHE MEER
So viele wunderschöne Orte.
Hydra. Ein Ort, der zeitgenössische Kunst kombiniert mit wunderschönen, dunkelblauen Küsten und zudem autofrei ist. Auch wegen der Nähe zu Athen, besuche ich diese Insel fast jährlich.
Milos. Strände und Küsten so weiss wie eine Mondlandschaft. Eine Bootsfahrt rund um die Insel lohnt sich.
Naxos. Kilometerlange Strände, welche ein Gefühl von Freiheit geben. Malerische Dörfer und Orte, Tempel mit Kunst aus der Antike. Hier verbrachte ich 13 Jahre lang jeden Sommer.
Kefalonia. Eine fantastische Insel mit grünen Wäldern und wunderschönen Strände, worunter Myrtos Beach ein ganz besonderes Highlight ist. Noch nie habe ich so ein intensives, blendendes Hellblau im Wasser erlebt. Der Fischerhafen Fiskardo ist übrigens mein Lieblingsort, um Austernspaghetti zu essen.